Poul – Er ist einfach da, er macht nicht viel und verändert dennoch alles.

September 21, 2021

Im Juni 2020 durfte ich im Rahmen des Corona-Schwerpunktes für den Österreichischen Retrieverclub den nachfolgenden Artikel über Poul und mich schreiben. Und da ich auch heute, im September 2021, noch unfassbar viel Kraft aus diesem Artikel und meinen damaligen Gedanken ziehen kann, wollte ich diesen Artikel nun gerne mal mit euch teilen. Außerdem hat Poul mittlerweile die 10 Jahre geknackt. Wird also Zeit für eine Fortsetzung, oder?

Er legte sich einfach hin. Mit dem Kopf und den Pfoten auf die schwarz polierten, schicken Lackschuhe des Mannes gegenüber. Dann atmete er einmal tief durch, schloss seine Augen und genoss es sichtlich, einen passenden Platz gefunden zu haben. Natürlich ohne das Wissen, dass der Mann für mich ein Fremder war, dass wir uns inmitten eines vollen Zugabteils befanden und der Mann vermutlich nicht besonders auf weiße Hundehaare auf seinen Schuhen steht. Ja, aber das war Poul immer schon egal. Und so hatte er auch auf dieser Zugfahrt wieder einmal einen guten Riecher dafür, mit welchen Menschen wir uns die nächsten Stunden nett unterhalten könnten. Auf diese Weise hatte er sich also innerhalb weniger Sekunden nicht nur einen gemütlichen Platz auf den Schuhen eines Fremden erschlichen, sondern auch zugleich einen Platz im Herzen dieses Menschen gesichert … eben genau so, wie er das vor neun Jahren bei meiner Familie und mir gemacht hat.

Völlig unverhofft, aber genau zur richtigen Zeit, tapste damals ein kleiner, gelber Labradorwelpe mit riesigen Pfoten in unser Leben und hat es ganz einfach zu einem besseren gemacht. Mit seiner Leichtigkeit, Freundlichkeit und einem Dauerwedeln bereichert er seit mittlerweile fast neun Jahren unser Leben – so wie sich das für einen Poul eben gehört.

Ich habe es seinem großartigen Wesen zu verdanken, dass ich auf so viele, unzählige Erlebnisse und schöne Gespräche zurückblicken darf. Auch wenn die Gesichter zu den Menschen mit den Jahren verschwimmen, so werde ich die Offenheit und die Geschichten dahinter nicht vergessen … Da waren viele ältere Menschen, die mir wehmütig von ihrem eigenen Hund erzählten. Junge Mädels, die genau wie ich jahrelang von einem eigenen Hund träumten. Menschen aus dem Altenheim, welche er in regelmäßigen Abständen besuchte und so noch manch einem Mensch auf seine alten Tagen die Angst vor großen Hunden nehmen konnte. Und nicht zu vergessen die Menschen, die uns mit großem Ärger begegnet sind. Die uns beschimpften und unfair behandelten, die wir jedoch manchmal ohne viele Worte vom Gegenteil überzeugen konnten. Und selbst wenn es mir nicht immer gelungen ist, in solchen Situationen ruhig zu bleiben, dann war es zumindest Poul.

Wie viele Kilometer ich mit diesem Hund wohl bereits von A nach B gereist bin? Ich habe keinerlei Vorstellung davon. Und, nein, wir reden hier nicht von “gemütlichen Autofahrten”, wo man all sein Gepäck, den ganzen Hundekram und sonstige Ausrüstung einfach in den Kofferraum schmeißt und jederzeit losfahren kann.

Stellt euch vielmehr ein ziemlich kleines Mädel mit einem ziemlich großen Hund vor. Mit einem prall gefüllten Koffer in der rechten Hand, dem Labrador an der linken Hand und einem Fotorucksack auf dem Rücken … So sahen unsere gemeinsamen Reisen der letzten neun Jahre weitestgehend aus.

So sind wir 2015 mit dem Beginn meines Studiums von Österreich nach Stuttgart umgezogen, haben uns Ende 2016 auf unsere Schottland-Reise begeben, sind in den letzten Jahren durch Deutschland, die Schweiz und durch ganz Österreich gefahren, haben Freunde besucht, viel fotografiert, wunderschöne Plätze entdeckt und Menschen kennengelernt. Genauso wie auch Freunde fürs Leben gefunden. Und obwohl das bei weitem nicht immer bequem war und ich mir nicht nur einmal ein klimatisiertes Auto wünschte … bin ich dennoch dankbar für diese Zeit.

Gerade jetzt, wo wir hier seit einigen Wochen in unserer Wohnung inmitten von Wien sind, maximal zum kurzen Spaziergang in den nächsten Park gehen können und sich diese Zeit so anfühlt, als ob die Welt für jeden von uns ein wenig still steht … gerade jetzt bin ich dankbar für all die verrückten Reisen und die schönen, wie auch anstrengenden Momente der letzten neun Jahre. Denn ich hatte doch immer diesen unfassbar tollen Ruhepo(u)l an meiner Seite.

Gerade jetzt wüsste ich nichts so sehr zu schätzen, als mich einfach mal wieder mit Poul in den Zug zu setzen, um meine Eltern oder engsten Freunde besuchen zu können. Doch im selben Moment weiß ich es zu schätzen, mit meinem Hund hier in dieser Wohnung zu sein – mit dem Gewissen, dass er mich auch durch diese Phase meines Lebens problemlos “durchboxen” wird – ohne Wenn und Aber. Denn das ist es, was ihn ausmacht. Er ist einfach da, er macht nicht viel und verändert dennoch alles.

Selbst wenn es gerade mal ungemütlich wird, man an seine Grenzen kommt, sich vielleicht ein wenig festgefahren fühlt in einer Situation. Er ist da, jeden Tag, seit neun Jahren – mit seiner unfassbar guten Laune. Das mag für viele nun vielleicht banal klingen, aber sind wir doch mal ganz ehrlich: Wie oft jammern wir Menschen über unseren Alltag, beschweren uns über die Arbeit, über das Gehalt, weinen zerbrochenen Freundschaften und Beziehungen hinterher? Wie oft stehen wir mit einem schlechten Gefühl auf und können uns an solchen Tagen nur schwer dazu motivieren, positiv zu denken? Wie oft liegen wir nachts wach, weil uns solche negativen Gedanken selbst noch abends den Schlaf rauben?

Auch wenn wir uns nicht mit unseren Hunden vergleichen sollen, so können wir uns dennoch eins von ihnen abschauen: Dass all das, was gerade in unserem Leben passiert, uns nicht davon abhalten sollte, das Beste aus der Situation zu machen. Dass wir dennoch jeden Tag mit einem positiven Gefühl aufstehen und freundlich zu unseren Mitmenschen sein können. Dass wir bedingungslos für diejenigen da sind, die uns gerade brauchen. Denn das ist es letztlich, was unsere Hunde für uns jahrelang tun. Tagein, tagaus – verändern sie irgendwie alles und ahnen doch nichts davon.

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