Ein Tierarztbesuch, der alles veränderte
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ToggleWie fange ich diesen Beitrag an? Ich denke dort, wo es am meisten weh tut.
Am 22. Mai war ich mit Poul routinemäßig zur Kontrolle beim Tierarzt. Den Termin machte ich nicht ohne Grund und ehrlicherweise ging ich auch nicht mit einem 100% tollen Bauchgefühl dahin. Poul hatte zuvor angefangen, auffällig mehr zu trinken. Anfangs noch „okay viel“, dann die Tage kurz vorm TA-Termin jeden Tag mehr und mehr. Sodass ich mit jedem Tag innerlich schon nervöser wurde.
Dann bei der Untersuchung erstmal Erleichterung: Er wurde super doll gelobt, wie fit er für seine 13 Jahre wirkt, wie kräftig sein Herz schlägt. Nichts auszusetzen äußerlich. Wir nahmen Blut ab und ich durfte mit ihm nach Hause gehen. Und ich ging wirklich erleichtert und happy da raus. Nur um eine Stunde später die schrecklichsten Nachrichten als Hundehalterin zu bekommen, die ich echt niemanden wünsche.
Die Diagnose: Chronische Niereninsuffizienz im fortgeschrittenen Stadium
Seine Blutwerte waren katastrophal, die Niere arbeitet kaum noch – und das in so fortgeschrittenem Stadium, dass es auch überall im gesamten Blutbild sichtbar ist.
Ich weiß noch genau, wie ich am Telefon versuchte, stark zu bleiben. Versuchte, der Tierärztin bis zu Ende zuzuhören, bis sie alles gesagt hat. Nicht zu voreilig panisch zu werden. Alles, was ich wollte, war, dass sie sagt: „Ja, das ist jetzt richtig scheisse. Aber hey – Das kriegen wir hin!“
Stattdessen sagte sie mir, dass sie mir in diesem Stadium keine Hoffnung machen kann. Weil die Niere eben kein Organ ist, das sich regenerieren kann.
Was soll ich dir sagen?
In diesem Moment ist eine Welt für mich zusammengebrochen.
Es war einer dieser Tage, wo du einfach zu nichts fähig bist, dich in dein Bett verkriechst und nur weinst. Bis du nicht mehr weinen kannst. Und irgendwann schläfst du dann komplett fertig, mit zugeschwollenen Augen und Schmerzen am ganzen Körper ein und hoffst, dass all das ein böser Albtraum war.
Das Schlimmste daran: Der Tag danach. Wenn du realisierst: „Nein, das ist wirklich passiert.“
Seitdem durchlebte ich gefühlt alle Emotionen immer wieder und immer: Mal war ich komplett verzweifelt und tot traurig, mal schöpfte ich wieder Hoffnung und wollte kämpfen. Ich war ständig hin und her gerissen zwischen dem Akzeptieren der Situation und dem Kämpfen gegen die Situation. Allein schon, weil ich so wenig über diese Krankheit wusste und all das ja völlig neu war.
Die Suche nach Antworten
„Was, wenn es doch noch Hoffnung gibt?“ – Das ging mir einfach nicht aus dem Kopf.
Also sprach ich daraufhin mit einigen lieben Menschen, die in ähnlichen Situationen mit ihren Hunden waren. Das war tatsächlich Gold wert in den ersten Tagen, weil ich mir dadurch innerhalb kürzester Zeit super viel Wissen über das Thema „chronische Niereninsuffizienz“ aneignen konnte. Und dadurch bekam ich wiederum Erfahrungswerte, die mir persönlich eben fehlten.
Zwei Tage später war mir klar: Ich will noch eine zweite Meinung einholen.
Ich glaube, ich musste das einfach für mich machen, um mich später nicht schuldig zu fühlen. Um mir später nicht vorzuwerfen: „Hättest du ihn mal noch woanders vorgestellt, vielleicht hätte ihm doch jemand helfen können…“
Denn das war für mich persönlich auch gleichzeitig die Kehrseite all dieser (wirklich wertvollen!) Gespräche: All diese Menschen haben mir im Grunde dann doch Hoffnung gemacht.
Das, was ich mir so sehr gewünscht habe, von der Tierärztin zu hören, habe ich an anderen Stellen von unzähligen Hundehalter*innen gehört. Wie gesagt: Ich bin dafür wirklich dankbar, weil ich unfassbar viel über diese Krankheit und unterstützende Behandlungsmöglichkeiten lernen konnte.
Aber: Genau das hat mich am Ende auch wahnsinnig durcheinandergebracht. Weil diese Meinungen so komplett konträr waren. Also packte ich den letzten Funken Hoffnung gemeinsam mit Poul ein und stellte ihn 5 Tage nach der Diagnose einem zweiten Spezialisten vor.
Ende vom Lied: Seine Diagnose fiel noch ernüchternder aus als das meiner Tierärztin. Ich erspare dir an dieser Stelle seine genauen Worte, weil sie mich selbst schon genug getroffen haben.
Alles, was ich heute dazu sagen möchte: Ich bin trotzdem froh, beide Termine gemacht zu haben.
Denn auch, wenn es nochmal ein Schlag ins Gesicht war, hat es mich auch irgendwie beruhigt. Ich weiß, das klingt jetzt komisch. Aber seitdem weiß ich einfach noch genauer, was Phase ist, was ich tun kann und was eben auch nicht (mehr).
Ich konnte auch gezieltere Fragen stellen, weil ich eben ein paar Tage Zeit hatte, viel über die Krankheit zu lernen. Und so hat es zwar unfassbar weh getan, aber ich habe endlich aufgehört, gegen all das anzukämpfen.
Und ich weiß, dass das für viele jetzt nach „Aufgeben“ klingt. (Das hab‘ ich anfangs auch gedacht…) Aber: Erstes geht jede*r anders mit so einer Situation um und zweitens habe ich neben Poul noch einige Verpflichtungen in meinem Leben – zum Beispiel Pinu’u. Aber auch meine eigene Gesundheit, mein Unternehmen. Für mich persönlich ist die Akzeptanz der einzige Weg, wie ich damit leben kann. Weil ich damit jetzt leben muss. Das zu respektieren, sollte in meinen Augen selbstverständlich sein.
Unser neues Normal: Ein Alltag voller Anpassungen
Wenn ich ganz ehrlich bin, wünsche ich mir oft nichts mehr zurück, als einen normalen Alltag. Denn das Schlimmste meiner Meinung nach sind die Momente, wo man die Krankheit eben wirklich spürt, sieht und fühlt. Und das passiert leider täglich und auch nachts. Mal mehr, mal weniger.
Mal gibt es Tage, da wirkt er komplett normal, geht seine Runden mit mir, trappelt den Futterbrocken hinterher, geht mit mir in den Garten und fordert seine Physioübungen ein. Und wenn Besuch da ist, blüht er auch nochmal richtig auf. So sehr, dass ich dann sogar vergesse, dass er so krank ist. Oder auch morgens, wenn er mit Pinu’u gemeinsam vor der Küche steht und mit großen Kulleraugen auf sein Futter wartet. All das sind so gute Momente.
Und dann gibt es halt aber auch Tage, da kämpfen wir beide. Jede*r für sich und dann auch gemeinsam. Das hinterlässt natürlich Spuren.
Denn wenn dein Hund krank ist, dann bist du einfach dauerhaft in Alarmbereitschaft. Einerseits funktionierst du den ganzen Tag, andererseits bist du komplett müde und ausgelaugt und bräuchtest einfach mal ne‘ Pause.
Darüber hinaus kann ich halt nichts mehr wirklich planen. Niemand weiß eben, was in einer Woche ist. Oder in zwei Tagen. Mein langersehnter Urlaub in Kopenhagen (wo ich übermorgen hin wäre) ist demnach leider auch ins Wasser gefallen. Klar, habe ich das ohne zu Zögern abgesagt. Aber dennoch, bin ich ehrlich, schmerzt es mich zu wissen, dass ich da so schnell jetzt wieder nicht hin komme.
Und ja – Das ist in Wahrheit ein Tropfen auf dem heißen Stein, aber all das macht etwas mit einem. Ebenso wie der Fakt, dass ich Poul nun kaum mehr allein lassen kann und gewisse Strukturen immer vorhanden sein müssen. Mit ihm auf Besuch zu fahren, ist auch super schwierig. Einfach, weil jeder Tag so anders ist, seine Puste so schnell aus ist und wenn er dann wo ist, wo er nicht zur Ruhe kommen kann, tut ihm das einfach nicht gut. Und das wiederum ist für mich dann auch die reinste Tortur.
Das sind alles Dinge, die jetzt unser täglicher Begleiter sind. Um einen kleinen Einblick zu geben.
Die finanziellen und beruflichen Auswirkungen
Dazu kommen die offensichtlichen „Nebenbaustellen“, wenn dein Haustier krank ist: Die immens hohen Tierarztkosten, die jetzt einfach wöchentlich on top kommen. Dazu der Fakt, dass ich selbstständig bin und gerade nicht in der Lage bin, so zu arbeiten (geschweige denn Marketing zu betreiben), wie ich es müsste. All das ist Teil unseres Alltags. Und all das hinterlässt eben Spuren. Aber all das zu tun ist für mich selbstverständlich, solange er Freude am Leben hat.
Und die Freude am Leben ist definitiv noch da. Da gibt es so unglaublich viele schöne Momente jeden Tag, in denen er ganz klar zeigt, dass er noch eine hohe Lebensqualität hat. So nehme ich mir auch möglichst viel Zeit für ihn, um all diese guten Momente wirklich aufzusaugen, bewusst auch viel Besuch einzuladen, über den er sich freut und den ein oder anderen mini Ausflug in die Weinberge zu unternehmen. Ehrlich – Er soll einfach eine schöne Zeit haben. Das ist mir das Wichtigste.
Dafür zu sorgen – das ist alles, was ich jetzt tun kann. Ich hoffe sehr, dass das reicht und ich so das Beste aus der gemeinsamen Zeit machen kann, die wir noch haben.
Ob das noch ein Monat ist, zwei oder vielleicht sogar fünf. Wir wissen es nicht. Niemand kann mir das sagen. Und ich glaube, das ist auch besser so.
Wenn aus K(r)ampf Akzeptanz wird…
Und auch wenn es jetzt komisch klingen mag… Rückblickend bin ich dankbar dafür, dass ich mit ihm im Mai beim Tierarzt war. Denn auch wenn es einer der schrecklichsten Tage überhaupt war und ich nicht mehr viel machen kann, außer ihn zu unterstützen wo es nur geht … So habe ich immerhin die Chance bekommen, mich auf das vorbereiten, was noch vor uns liegt.
Darüber hinaus hat mich Poul sogar in dieser verdammt harten Zeit schon wieder um so vieles reicher gemacht: Nämlich so stark wie lange nicht mehr zu spüren, was mir wirklich wichtig ist im Leben.
Er hat durch all das so vieles in mir angestoßen, was ich vor einem Monat nicht mal wusste. Er hat mir gezeigt, dass so vieles so irrelevant ist, wenn das, was man am meisten liebt, irgendwann nicht mehr ist. Und mit diesem Gedanken gehe ich seitdem so einiges – auch in meinem Business – anders an.
Naja… und jede*r, der uns kennt (ob noch von früher oder erst seit Kurzem), der weiß: Genau DAS ist einfach mal wieder typisch Pouli. Er ist und bleibt halt mein bester Lehrmeister. Und zeigt mir immer wieder: „Verdammt – ich hab noch viel zu lernen!“
Abschließende Gedanken
Abschließend möchte ich noch sagen: DANKE, an jede*n, der sich bei mir gemeldet hat. Egal, ob man sich Jahre nicht gehört hat oder täglich. Es hat mir wiedermal vor Augen gehalten, warum mir dieser Hund so viel bedeutet. Weil dieser Hund einfach so vieles in Bewegung gebracht hat, so stark mein Leben beeinflusst hat. Dort, wo er seine Pfoten im Spiel hatte, da sind irgendwie die schönsten Verbindungen entstanden.
DANKE auch an Anna, die mich die letzten Wochen komplett aus unserem Podcast rausgehalten hat und mir all die Zeit gegeben hat, die ich brauchte. DANKE auch an dich, Johanna, für das Auffangen, die wunderschönen Fotos und die Videos, die du von uns gemacht hast. Dafür bin ich dir auf ewig dankbar. ❤️
Zu sehen, wie von allen Seiten an uns gedacht wird – ist unglaublich schön und aus diesem Anlass ist auch dieser Beitrag heute entstanden. Ich schaffe es aktuell einfach nicht, jede*m persönlich immer wieder alles zu erzählen, wie die Person es verdient hätte.